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Familiengeschichte Bitsch in Brandau

Hans Lorenz und Rudolf Kunz

Das Hausbuch der Familie Bitsch in Brandau (1780-1914)

Vorbemerkung: Dieses Hausbuch wurde 1780 begonnen und wird bis heute weitergeführt. Wir bringen den Text bis 1914. Gemäß dem Wunsch des Begründers enthält das Büchlein neben den familiären  Daten und Mitteilungen eine Menge lesenswerter Nachrichten aus dem Dorf- und Zeitgeschehen. Hauschroniken dieser Art sind äußerst selten und für die Heimatforschung von beträchtlichem Wert.

Der Abdruck folgt dem genauen Wortlaut, aber in einer der heutigen angenäherten Schreibweise. Erklärungen und Ergänzungen sind in eckigen Klammern beigefügt. Die einzelnen Nachrichten wurden weitgehend mit Überschriften versehen und durchnumeriert. Zu einer besseren Auswertung ist ein Register beigegeben.

Vorwort des Chronisten

Dieses von mir, Johann Adam Bitsch, geschriebene Buch soll zu einem Stammbuch meiner ganzen Familie dienen, darin eines jeden [Familienglieds] Namen, sowohl meiner Eltern, Großeltern, Weib und Kinder, wie auch ihre Geburtszeit zu finden ist, ferner, was sich bei meiner Denkungszeit merkwürdig zugetragen.

Auch soll dasjenige von meinen Kindern, welches nach mir in mein Haus als Erbeund Besitzer kommt, ebenwohl in dieses Buch seine Familie einschreiben und [sich] jedesmalen bei der Rücksicht der vorbeschriebenen Gedenken an die Reden Salomons [halten], daß alles in der Welt vergänglich und eitel sei, und sich immer den sehr bekannten Spruch ins Herz fassen: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes! — Auch ist die Gottseligkeit zu allen Dingen nutz und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens. — Sodann in dem Beruf treu und fleißig, so wird alles wohlgehen bis an das Ende.

Vorfahren aus der Schweiz

Es kamen in dem vorigen Seculo [= Jahrhundert], die Jahrzahl ist nicht genau zu bestimmen, zwei Gebrüder aus der Schweiz durch den Krieg in das benachbarte Ort Breitenwiesen [und Raidelbach] und ließen sich da als Untertanen nieder. [Sie waren Söhne des Christian Bitsch aus Tschirffs (= CH 7220 Schiers) im Kanton Graubünden. Matthias Bitsch, der ältere Bruder, geb. um 1637, ließ sich 1662 in Breitenwiesen nieder, sein jüngerer Bruder Christian (geb. um 1644) 1666 in Raidelbach.] Der eine [= Matthias] hatte einen Sohn namens Gabriel [geb. 10. 3.1688], der das Schneiderhandwerk erlernte und sich als Untertan in dem benachbarten gräflichen [= erbachischen] Ort Reichenbach niederließ. Er trieb aber das Handwerk nur für seine Haushaltung und hatte ein Gut dabei. Dieser Gabriel Bitsch hatte fünf Kinder [vier weitere verstarben in jungen Jahren]:

  1. Katharına [geb. 17. 5. 1711], die Besitzerin des Gutes,
  2. Johann Martin [geb. 16. 5. 1716] wurde ein Zimmermann,
  3. Johann Peter, ebenfalls [ein Zimmermann], verheiratete sich in Erbach,
  4. Anna Elisabetha, verheiratete sich an den Reitknecht in König,
  5. Johann Nikolaus, ein Leinenweber, welch letzterer sich verheiratete in das hochgräflich-erbachische Ort Erlenbach [bei Erbach/Odw.].

Vater Johann Martin Bitsch

Johann Martin Bitsch wurde geboren in Reichenbach im Jahr 1716, den 16. Mai. Er erlernte bei seinen erwachsenen Jahren das Zimmerhandwerk und begab sich in die Fremde etlich Jahr lang. Bei seiner Rückkunft verheiratete er sich hier ın Brandau mit Anna Eva [geb. 14. 7. 1720, + 18. 11. 1791], des Gemeinsmanns Johann Georg Hübner dritter, jüngster Tochter, und zwar im Jahr 1744 [14. Juli], und erzeugte ın seiner Ehe 3 Söhne:

  1. Johannes, geb. 13. Juli 1745 [@ 14. 10. 1770 Anna Barbara Feik, + 18. 4. 1775; QD IT 10. 8. 1775 Maria Elisabeth Romig],
  2. Johann Peter, geb. 30. 9. 1748, gest. 1756,
  3. Johann Adam, geb. 22. 10. 1756, abends 3 Uhr.

Lebenslauf des Chronisten Johann Adam Bitsch

Es ist schon gemeldet, daß ich, Johann Adam Bitsch, bin geboren in dem Jahr 1756, den 22. Oktober, abends 3 Uhr. Mein Vater war der damalige Zimmermeister Johann Martin Bitsch, und meine Mutter hieß Anna Eva. Mein Taufpate war Johann Adam Germann, Gemeinsmann allhier.

Ich war in meinen Jugendjahren sehr kränklich, besonders in meinem 8. Jahr hatte ich Gicht in den Beinen, daß ich nicht gehen konnte. Gott gab mir aber die Gaben, daß ich in der Schule fleißig lernte und es bei meinem schwachen Körper so weit brachte, daß ich im Jahr 1770, den 2. Sonntag Trinitatis, mit 47 andern Kindern zu Neunkirchen von Herrn Pfarrer Dittmar bin konfirmiert worden.

Nunmehr fing ich an, gesund zu werden, und ich fing sogleich an, das Zimmerhandwerk bei meinem Vater zu erlernen. In dem 18. Jahr wurde ich nach Darmstadt gebracht, um Soldat zu werden. Allein ich brachte es dahin, daß ich mit Passierschein wieder nach Hause kam. Ich arbeitete nachgehends bei meinem Vater und Bruder. Dieser hatte damals schon meines Vaters Haus übernommen, und für mich war nunmehr nichts mehr übrig, als mein Glück sonst zu suchen. Nur das lag mir im Weg, daß ich den Paß vom Militär hatte.

Ich ging daher erstens nach Pfungstadt und arbeitete bei dem Zimmermeister Rückert eine Zeitlang. Von da begab ich mich nach Steinbach bei Michelstadt und arbeitete bei Meister Büchler zwei Sommer. Winters war ich zu Erlenbach und lernte [= lehrte] Kinder als [Winter-]Schulmeister. Von da kam ich in die [Kur-]Pfalz nach Hammelbach und arbeitete bei Meister Schreck eine Zeitlang. Hiermit habe ich zugebracht zwei Jahr, und wurde mir vom Vater angelegen [= ans Herz gelegt], wieder nach Haus zu kommen, weil mein Vater kränklich war. Und kam also nach Haus, kaufte von meinem Bruder sein von meinem Vater erhaltenes Haus wieder ab, nämlich Haus, Garten, 2 Wiesgen für 270 Gulden, und [versprach], die Zimmerarbeit seines Hauses machen zu helfen, und zwar im Jahr 1778, den 11. November. Am Ende dieses Jahrs starb auch mein Vater ım 62. Jahr seines Alters. 1779 baute mein Bruder sich wieder ein Haus.

1779, im Monat August [9. Sept.], verheiratete ich mich mit Anna Margretha Schäfferin [geb. Bickenbach 27. 1. 1752], des Johann Melchior Schäfer, Schreinermeisters und Glöckners zu Bickenbach, dritter Tochter, welche mir an Heiratsgut einbrachte 150 Gulden und ein Bett. Ich hatte an väterlichem Erbteil 100 Gulden und ledigen Stands erspart 60 Gulden, wie nicht weniger 7 Gulden 30 Kreuzer für eine halbe Kuh; dieses zusammen tut 317 Gulden 30 Kreuzer. Mit diesen vorbenamten 317 Gulden fingen wir unter Gottes Beistand unsere Haushaltung an und hatten auch immer Segen.

Kinder des Chronisten

Und sollen hier vornehmlich die Kinder ihren Platz haben:

1) 1780, den 13. Mai, samstags vormittags unter 9 und 10 Uhr, im Zeichen Jungfrau, ist meine Tochter Anna Margretha geboren. Ihre Taufpaten sind gewesen ihre beiden Großmütter Anna Eva Bitsch und Christiana Margretha Schäfferin, welche ihr den Namen mitteilten, und zwar auf den ersten Pfingsttag, den 14. Maı.

2) 1782, den 10. Oktober, abends 6 Uhr, im Zeichen Schütz, ist meine zweite Tochter Katharina Elisabetha zur Welt geboren. Ihre Taufpaten sind meines Bruders zweite Hausfrau und [die] älteste Tochter erster Ehe, welche ihr den Namen am 23. Tag Oktober mitteilten.

3) 1785, den 13. Januar, morgens 4 Uhr, ist mir ein Sohn geboren, welcher aber nicht länger als eine Stunde in der Welt gelebt hat, jedoch aber von der Hebamme die Tauf empfangen. Der zum Taufpaten Bestimmte war Georg Friedrich Roß, des verstorbenen Balzer [= Balthasar] Roßen jüngster Sohn. Das Kind ist nehlichen [= gleichen] Tags auf hiesigem Kirchhof im Nachtläuten begraben worden.

4) 1786, den 15. Januar, morgens 9 Uhr, ist mir ein Sohn geboren. Das Werk der Gevatterschaft verrichtete [der] derzeit bestellte Schulmeister, meiner Frau Bruder allhier, namens Johann Philipp Schäfer, und dessen jüngster Sohn, welche ihm den Namen Philipp Gottlieb Jakob mitteilten. Es gefiel aber dem Ratschluß Gottes, auch diesen nicht länger als 18 Stunden in der Welt zu lassen. So starb derselbe die Montagsnacht um 4 Uhr [am 16. Januar 1786]. Seine Ruhstatt des Körpers ist bei seinem vorgemeltem Bruder auf hiesigem Kirchhof.

5) 1787, den 30. März, freitags morgens um 5 Uhr, im Zeichen der Jungfrau, ist mir ein Sohn geboren. Sein Taufpate ist Georg Friedrich Kunckelmann, des Müllers Kunckelmann damals jüngster und lediger Sohn, welcher ihm den Namen Georg Friedrich bei seiner heiligen Taufe, welche am 1. April, und zwar an Palmsonntag, geschehen, mitteilte. 1790, den 12. Juli, im [Zeichen des] Löwen, ist mein Sohn Johann Georg zur Welt geboren, morgens 8 Uhr. Das Werk der Gevatterschaft verrichtete Johann Georg Beilstein, des Johann Michael Beilstein ältester, zweiter Sohn aus Klein-Bieberau. (. 7) 1795, den 27. Mai, abends 11 Uhr, im Zeichen Jungfrau, ist meine Tochter Elisabetha Margretha zur Welt geboren und den 28. [Mai] getauft [worden]. Ihr Taufpate ist Elisabetha Margretha, des Johann Adam Röder Fhefrau allhier.

Konfirmationen

1801, auf Pfingsten, ist mein Sohn Georg Friedrich konfirmiert worden und [hat] sogleich angefangen, das Zimmerhandwerk zu erlernen. 1804, auf den 1. Pfingsttag, ist mein zweiter Sohn Johann Georg konfirmiert worden und [hat] auch sogleich angefangen, das Zimmerhandwerk zu lernen.

Aufnahme in die Gemeinde

Als ich verheiratet [war], wurde ich [1779] in die hiesige Gemeinde als Beisaß angenommen. Ich blieb [es] aber nur ein Vierteljahr, hernach wurde ich als Gemeinsmann angenommen. Und bestunde damals die hiesige Gemeinde in 48 Gemeindsleuten [= etwa 300 Einwohner]. Und das Gemeindeholz wurde in dem Viehwäldchen gemacht.

Übersicht der Preise von 1780 bis 1811

1780 kaufte ich das Achtel [= Malter] Roggenmehl für 2 fl. [= Gulden] 40 xr. [= Kreuzer]. Es dauerte aber nicht lange, so kostete es 4 fl. Die folgenden Jahre wechselte es mit 4 fl., 5 fl., 6 fl., auch 7 fl. bis in die Jahre 1790. (1792 brach der Krieg in Frankreich aus. Von 1793 bis 1794 kam die französische Rheinarmee bis Frankfurt. Nun kamen Preußen, Hessen, Kaiserliche, Reichsvölker an den Rhein, und nun nahm die Teuerung überhand:

das Malter Korn 14 fl., das Malter Spelz 11 fl., Hafer 10 fl., Kartoffeln 4 fl., das Pfund Butter 40 xr. | Das Vieh war außerordentlich teuer. Ich verkaufte eine Mittelgattung Kuh für 116 fl., das Kalb 12 fl. m.

Es wurden die Franzosen in Frankfurt geschlagen, und sie zogen nach Mainz. Die Deutschen stunden vor Mainz bis das künftige Jahr, da hörte man von Tag zu Tag kanonieren. Es war nichts als Schanzen und Fuhren zu tun. Es übergaben nun die Franzosen Mainz, und die Deutschen drückten die Franzosen zurück bis Landau und Straßburg. Nun machten Preußen und Hessen Frieden mit Frankreich. Das Kriegsglück änderte sich wieder, und die Franzosen schlugen die Kaiserlichen, nahmen Mannheim und Mainz wieder ein und verfolgten die Kaiserlichen den Main hinauf bis nach Bamberg und Würzburg. Es wurde von unserm Land damals von den Franzosen schwere Brandschatzung angefordert. Es wurden in Darmstadt Regierungs- und Geheime Räte mit nach Frankreich geführt, um als Geisel des geforderten Geldes [zu dienen]. Im Jahr 1799 zog auch unser Herr Landgraf seine im Feld stehenden Truppen wieder ein und machte mit Frankreich [Waffen-]Stillstand, und der Krieg hatte nun Ruhe bei uns und auch die Teurung.

1801 galt das Achtel Mehl 5 fl., 1802 wieder 6 fl., und zu Johanni [24. Juni] dieses

1802ten Jahrs stieg durch Aufkaufung der Früchte die Teurung, daß das Achtel wieder 10 und 11 fl. kostete.

1803 kostete das Achtel wieder 7-8 fl., bis 1805, welches ein kaltes Jahr ist gewesen; das Achtel Mehl kam wieder auf 10 fl.

1806 das Mehl 7 fl.

1807-1810 wechselte mit 6 fl., 7 fl., 5 fl.

Ist 1811 ein so heißer Sommer gewesen, daß keinem Mann gedenkt, daß es so warm war. Das Achtel Mehl kostete 4 fl. Und es gab viel und guten Wein.

Glocken für Neunkirchen

Im Jahr 1797 wurden die Glocken in Neunkirchen angeschafft, und zwar aus lauter kollektiertem [= gesammeltem] Geld.

Zum Kirchenvorsteher ernannt — Tod des Bruders

1797, im Monat August, bin ich zum Kirchenvorsteher ernannt worden.

1798, am 6. Mai, starb mein Bruder [Johannes].

Holz für Hausbau

1799 wurde hier in der Gemeinde ausgeklagt, daß, wenn zwei einander heiraten, die das gemeinschaftliche Vermögen zusammenbringen und kein Haus haben, ihnen von der Gemeinde zum Bauen das in der Gemeinde [Besitz befindliche] Deputatsholz verabreicht werde; und ist der Anfang mit Nikolaus und Jakob Hardmanns Tochter gemacht worden.

Zahl der Gemeinsmänner

1802 ist die hiesige Gemeinde bis 60 Mann angewachsen [= etwa 360 Einwohner].

Unglücksfälle

Von April 1801 bis April 1802, in einem Jahr also, krepierte mir eine Kuh, die in einem Wert von 7 Karolin [1 Karolin = 11 fl. 8 xr.] war. Es verkalbte mir auch eine Kuh und krepierten mir auch zwei Schweine in diesem Jahr. Gott gebe, daß das Unglück ein Ende haben möchte!

Einbrüche

1802, ım April, wurde bei dem Pfarrer Lindenborn zu Neunkirchen auf gewaltsame Art von Räubern eingebrochen und bemelter Pfarrer samt seinen Leuten gebunden und all sein Geld und Silberwerk, wie nicht weniger auch das Kirchengerät, Kelch und Hostienschachtel, geraubt. Bei Anschaffung derer Nachtmahlgefäß hat jedermann [= alle Gemeinsleute des Kirchspiels] 25 Kreuzer bezahlt.

1805, vom 4. bis den 5. Dezember in der Nacht, wurde bei Peter Roß Jun. Von Räubern ein Gefach [= Fachwerkteil] im zweiten Stock ausgelegt [= herausgenommen] und in der obern Stube befindliche Gerätschaften an Kleidung und Wäsche gestohlen. Bei allen Forschungen hat man nichts ausfindig machen können.

Orgel repariert

1805, ım Herbst, wurde die Orgel zu Neunkirchen repariert. Es kostete einen jeden Mann unsers Kirchspiels 1 Gulden 21 Kreuzer.

Kriegsgeschehen 1805-1812

1805 brach der Krieg in Bayern mit dem römischen Kaiser [Franz II.] und dem französischen Kaiser [Napoleon] aus. Die Österreicher wurden bei Austerlitz geschlagen, und die Franzosen bezogen die Länder der Reichsfürsten. Wir hatten Franzosen im Quartier vom 15. Januar 1806 bis Johanni dieses Jahrs. Der Rheinische Bundesstaat wurde errichtet, und unser Herr Landgraf bekam den Titel Großherzog von Hessen [1806].

1806 ging der Krieg mit Preußen an, und mit Vereinigung des Rheinischen Bundes mußten auch unsere [hessischen] Truppen mit. Es dauerte aber nur ein halbes Jahr, und Preußen war geschlagen und muß viel Land abgeben.

1808 ging’s nach Spanien, wo auch mein Sohn mitmußte als Hautboist [= Oboist].

1809 wurde mit Österreich Krieg. Die Österreicher wurden geschlagen, und Buonaparte, der französische Kaiser, verheiratete sich 1810 mit des österreichischen Kaisers Tochter [Marie Luise]; und 1811 wurde demselben. ein Sohn geboren, der den Titel „König von Rom“ erhielt.

1811, 1812 gingen von unseren Truppen [Teile] nach Preußen, um die Seeküsten zu besetzen, weil Frankreich schon geraume Zeit Krieg mit England hat.

Witterung und Preise

1811 ist schon oben gesagt, daß ein sehr heißer Sommer war.

Und mit Anfang 1812 fiel ein sehr großer Schnee, den ich auch nicht dicker liegen hab gesehen. Die Kälte aber war nicht sehr groß. Im Februar ging der Schnee hinweg. Allein das Frühjahr war es kalt, und zwar so, daß auf Georgitag [23. April] gefroren, daß [das Eis] einen Wagen trug.

Das Achtel [= Malter] Mehl galt 10 Gulden, der Haufen Futterstroh 2 Gulden.

Krieg mit Rußland

Jetzt fing der Krieg mit Rußland an im Jahr 1813. Die Franzosen kamen mit den Bundestruppen bis nach Moskau in Rußland, wo sie aber geschlagen wurden, und die französische Armee mußte mit vielem Verlust abziehen. Die Franzosen sammelten sich aber wieder. Es wurde sehr stark rekrutiert. Demungeachtet wurden die Franzosen abermal bei Leipzig geschlagen und mußten ihren Retirat [= ihre Retirade, Rückzug] übern Rhein nehmen. Jetzt kamen Völker von allen Sorten, alles stund auf gegen Frankreich: Russen, Preußen, Österreich, Bayern, Württemberg, kurz, alle Reichsfürsten, was zum errichteten Bundesstaat gehörte, und gingen mit gesamter Macht gegen Frankreich vor. Der französische Kaiser wurde abgesetzt, und ein neuer König [Ludwig XVIII.] wurde wieder eingesetzt.

Wir hatten bei den vielen Durchmärschen viel gelitten, auch hatten wir Einquartierung von allen Gattungen von Truppen. 1814 kam Napoleon von der Insel Elba und sammelte wieder eine Armee, die aber vorbenannte Macht schlug ihn abermal und setzte ihn als Gefangenen auf die Insel St. Helena.

Preise, Witterung und Ernte

1815 kostete das Achtel [= Malter] Roggenmehl wieder 6-7 fl., bei dem vielen Durchmarsch im Jahr 14 und 15 fl. War alles leidlich zu kaufen, und die Früchte gerieten ım Jahr 1815 sehr gut.

Im Jahr 1816 aber um Johanni fing es an, teuer zu werden, und zwar, weil die Frucht sehr aufgekauft und in fremde Länder hinweggefahren wurde. Nun ist, im Jahr 1816, die Frucht nicht geraten, weil ein sehr schlechtes Jahr gewesen. Es fing zu April das Regenwetter an und dauerte den ganzen Sommer durch, daß im Herbst vieles Feld ungesäet liegenblieb. Man kann sich vorstellen: viele Fütterung, aber nichts konnte gedörrt werden, und war alles schlecht nach Hause gebracht worden. Alles Sommergepflänz geriet nicht, das Hundert Kraut kostete in Darmstadt 6 fl. und gab zwei Säckel voll.

Die Teurung stieg außerordentlich bis die Ostern 1817. Als ich dieses aufgeschrieben, kostet das Achtel Roggenmehl 20 fl., das Weißmehl 30 fl., der Hafer 9-10 fl., die Kartoffeln das Malter 5 fl. Bis Pfingsten kostete das Roggenmehl 24 fl., die Kartoffeln 6 fl. Bis Johanni kam das Roggenmehl auf 30 fl., Weißmehl 33 fl. Das Betteln der Armen war außerordentlich. Man sah den Mangel den meisten Haushaltungen an.

Und nun kam die Ernte herbei. Die Kartoffeln kamen zur Hand, und der liebe Gott deckte den sparsamen Tisch wieder, daß [es] wieder vollauf zu essen gab. Das Korn geriet sehr schlecht, Gerste und Hafer mittelmäßig, aber Spelz sehr viel, auch ziemlich Kartoffel und Kraut und viel Heu und Grummet. Das Achtel Mehl kostet aber noch um Michaeli [29. Sept.] 14 fl. in Darmstadt.

Reformationsfest

In diesem Jahr 1817, den 31. Oktober, wurde das Reformationsfest des Dr. Luther gefeiert, welches alle hundert Jahr geschieht, und ist mit vieler Feierlichkeit begangen worden.

Ernte und Preise — Neue Maße und Gewichte

1818 war alles wieder gut geraten. Das Achtel Mehl kam wieder auf 8 fl. Kartoffeln gab’s sehr viel, auch die Frucht, voraus Spelz, gab’s viel. Auch gab es viel Wein, die Maß galt wieder 40 Kreuzer, die vorher 1 fl. 36 xr. gekostet.

Auch ist in diesem Jahr die Veränderung des Maßes und Gewichts geschehen [vereinheitlicht auf das Dezimalsystem].

Aufbau der Landwehr

Bei Errichtung der Landwehr, die im Jahr 1816 geschehen, mußte alle Mannschaft bis ins 36. Jahr exigirt [= erfaßt] werden.

Schweres Gewitter

1819, zwischen dem 15. und 16. Januar, war ein Gewitter, es donnerte und blitzte und ging ein so großer Wind, daß fast alle Dächer Schaden litten, zwei Dachwerker von Scheuern hier umwarfen, kleine Gebäude umwarf und viele Obstbäume ausgerissen hat.

Witterung, Ernte, Preise

1819 war alles gut geraten. Es war ein heißer Sommer. Es gab viel und guten Wein, die Maß [= 2 Liter] galt wieder 24-32 xr., das große Malter Korn 5 fl., Gerst 4 fl., Hafer 3 fl., Spelz 3 fl. Das Vieh war auch wohlfeil.

Empörung wegen hoher Abgaben

Im Februar dieses Jahres [1819] empörte sich das ganze Land. Die Abgaben der Kontributionen waren außerordentlich. Es waren Deputierte in allen Ortschaften erwählt, die sich mit Advokaten versammelten und Bittschriften an den Landesherrn überreichten und ihre Not beklagten. Der Geldmangel war groß, daß die Abgaben fast nicht mehr zu ertragen waren. Es minderte sich um etwas und ward Hilf versprochen.